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Aktuelle LINK-Umfrage zeigt: Verschärfung der Massnahmen ‚ja‘, aber bitte ohne grossen Lockdown
LINK • 28. Oktober 2020

- Die rasante Zunahme der Infektionszahlen hat auch die gefühlte Bedrohung durch COVID-19 wieder steigen lassen.
- Das Vertrauen in das Schweizer Gesundheitssystem ist in allen Regionen mehrheitlich vorhanden – regionale Unterschiede zeigen sich nur bei kantonalen Massnahmen, wie z.B. beim Contact Tracing.
- Ja, zu einer Verschärfung der Massnahmen, aber ein zweiter grosser Lockdown wie im Frühling sollte vermieden werden.
Bereits Ende Februar hat LINK die Schweizer*innen zur Wahrnehmung der Pandemie durch COVID-19 befragt. Nach einer Sommerpause gibt es nun wieder aktuelle Informationen zur Stimmung in der Bevölkerung rund um die Pandemie.
Gefühlte Bedrohung durch COVID-19 zeigt leicht steigende Tendenz
Die gefühlte Bedrohung durch das Corona-Virus ist auf einem ähnlich hohen Niveau wie Ende März 2020. Tessiner*innen und Westschweizer*innen fühlen sich durch das Virus persönlich bedrohter als Deutschschweizer*innen. Insgesamt zeigt sich vor allem in Bezug auf die Bedrohung für die Schweiz, aber auch für die Befragten persönlich ein deutlicher Anstieg im Vergleich zur letzten Befragung Ende Juni. Ein weiterer Anstieg auf das Niveau Ende März erscheint daher wahrscheinlich.

Wirtschaftliche Bedrohung durch das Virus weiterhin in der W-CH und dem TI am höchsten
Der erneute rasante Anstieg der Infektionszahlen hat sich jedoch kaum auf die wahrgenommene wirtschaftliche Bedrohung durch das Virus ausgewirkt. Der Anteil derer, die von einer Bedrohung für die Weltwirtschaft ausgehen, hat sich um 4 Prozentpunkte und für die Schweizer Wirtschaft um 6 Prozentpunkte verringert. Auch die gefühlte Bedrohung für die persönliche finanzielle Lage ist im Vergleich zum Sommer leicht um 3 Prozentpunkte gesunken.

Es zeigen sich jedoch deutliche regionale Unterschiede: Während sich in der Westschweiz und im Tessin eine leicht steigende Tendenz in Bezug auf den Anteil derer zeigt, die ihre persönliche finanzielle Lage als bedroht einschätzen (TI: +1; W-CH: +3), nimmt der Anteil in der Deutschschweiz um 5 Prozentpunkte leicht ab. Die persönliche finanzielle Lage wurde vom Anstieg der Infektionszahlen im Gegensatz zur gefühlten Bedrohung durch das Virus insgesamt bisher kaum beeinflusst.

Eindämmung von COVID-19 vor dem nächsten Frühjahr für 9 von 10 unwahrscheinlich
Noch bis Mitte April 2020 ging die Mehrheit der Befragten (70%) davon aus, dass das Virus binnen 6 Monaten eingedämmt sein würde. Mittlerweile ist fast allen klar, dass die Eindämmung länger dauern und uns noch mindestens bis ins Frühjahr 2021 beschäftigen wird. Im Juni waren es noch lediglich knapp zwei Drittel, die davon ausgingen, dass die Eindämmung noch länger als 6 Monate dauern würde.

Das Vertrauen in das Schweizer Gesundheitssystem ist gross
In allen Sprachregionen sind mehr als 80 Prozent der Befragten der Meinung, dass sowohl die Versorgung der medizinischen Zentren in Bezug auf Schutzausrüstung, Beatmungsgeräte und Intensivbetten usw. als auch das Vorhandensein ausreichender COVID-19-Testzentren schweizweit sichergestellt ist. Trotz rasant steigender Infektionszahlen ist das Vertrauen in das Schweizer Gesundheitssystem daher aktuell sehr gross.

Tessin schneidet bei kantonalen Massnahmen am besten ab
Sowohl die Informationspolitik als auch das Contact-Tracing wird von den Tessiner*innen mehrheitlich gut bewertet. 83 Prozent fühlen sich von ihrem Wohnkanton sehr gut über die aktuelle Lage und die regionalen Massnahmen informiert. In der Westschweiz sind es 74 Prozent und in der Deutschschweiz nur 66 Prozent, was die Verunsicherung in Bezug auf den «kantonalen Flickenteppich» unterstreicht, der in der Deutschschweiz aufgrund der Anzahl der Kantone naturgemäss am grössten ist. Ein funktionierendes Contact-Tracing wird nur von den Tessiner*innen mehrheitlich (75 Prozent) attestiert. In der Westschweiz gehen nur 41 Prozent davon aus, dass die meisten Ansteckungsketten noch nachverfolgt werden können, in der Deutschschweiz sogar nur 35 Prozent.

Auch die Überwachung von Quarantänemassnahmen oder die Einhaltung des Social Distancing funktionieren laut der Befragten am besten im Tessin (Quarantäne: 64%; Social Distancing: 67%), dicht gefolgt von der Westschweiz (Quarantäne: 62%; Social Distancing: 66%). Nur knapp die Hälfte der Deutschschweizer (48%) denkt, dass die Überwachung einer angeordneten Quarantäne noch gelingt, beim Social Distancing sind es knapp 60 Prozent.
Aktuelle Massnahmen werden mehrheitlich als angemessen wahrgenommen
Eine Mehrheit der Befragten erachtet die aktuellen Massnahmen als angemessen. Streitbar aufgrund der knappen Mehrheit sind die Massnahmen zur Eindämmung des Infektionsrisikos bei privaten Grossveranstaltungen, die von 40% als unzureichend eingeschätzt werden. Aber auch die Massnahmen bei kleineren privaten Veranstaltungen sind umstrittener als der Rest der Massnahmen, da der Anteil derer, die die Massnahmen als übertrieben einschätzt, in etwa gleichgross ist wie der Anteil derer, die sie für unzureichend hält.

Nicht überraschend sind die Vorbehalte zur Teilnahme an privaten Veranstaltungen. Nur rund 37 Prozent der Befragten würden an diesen eine Maske tragen. Der Grossteil (49%) würde Veranstaltungen generell fernbleiben. Überraschenderweise ist die Bereitschaft, bei privaten Feiern eine Maske zu tragen, mit 39 Prozent in der Deutschschweiz und 38 Prozent im Tessin am höchsten, wohingegen sie in der Westschweiz mit 31 Prozent am geringsten ist. Vergleichbar gross (58%) ist in der Romandie die Bereitschaft, ganz auf die Teilnahme an Veranstaltungen zu verzichten.

Ja, zu einer Verschärfung der Massnahmen, aber bitte ohne grossen Lockdown
Was weitergehende Massnahmen anbelangt, zeichnet sich ein klares Stimmungsbild ab: Ja, zu einer Verschärfung der Massnahmen, aber ein zweiter grosser Lockdown wie im Frühling sollte vermieden werden. Schliesslich hat die Erfahrung des letzten Lockdowns gezeigt, dass die damit verbundene Eindämmung des Virus zeitlich nur sehr begrenzt erfolgreich war. Entsprechend sind nur 21 Prozent der Befragten der Meinung, dass es einen erneuten vollständigen Lockdown zur Eindämmung der Pandemie braucht. Wenngleich keine Mehrheit, so können sich doch 43 Prozent vorstellen, dass ein kurzer Lockdown (sog. «Circuit Breaker»; 40%) hilfreich sein könnte. Mehr Einigkeit herrscht unter den Befragten in Bezug auf die Verschärfung der Massnahmen, denen 64 Prozent zustimmen. 76 Prozent widersprechen einer Lockerung der aktuellen Massnahmen.

Für einen kurzen begrenzten Lockdown spricht auch, dass selbst rund die Hälfte der Gegner eines solchen Lockdown-Szenarios Verständnis für die Massnahmen zeigen würden. Über 80 Prozent der Gegner in allen Sprachregionen geben an, sie würden die Regeln eines Lockdowns zumindest mehrheitlich befolgen.

Die Ergebnisse bekräftigen die Forderungen vieler Wissenschaftler, dass Selbstverantwortung zwar gut gemeint ist, den teilweise sehr unterschiedlichen persönlichen Meinungen und Befindlichkeiten aber klare landesweite Regeln entgegengestellt werden sollten, um das Virus dauerhaft einzudämmen.

Ein Kompromiss könnte daher ein erneuter, aber kurzer Lockdown sein, der wie ein «Schutzschalter (engl. = Circuit Breaker)», einen schnellen ersten Erfolg bei der Eindämmung bringt. Danach ist es aber umso wichtiger, landesweit strenge Regeln aufrecht zu erhalten, um ein erneutes Hochschnellen der Infektionszahlen nachhaltig zu verhindern. Die aktuellen Ergebnisse zeigen, dass solche Regeln, wenn sie denn einheitlich existieren, nicht nur mehrheitlich eingehalten werden, sondern ihnen selbst von den Gegnern ein gewisses Mass an Verständnis entgegengebracht wird.
Die Studie im Überblick
Methode: Onlinebefragung (LINK Panel)
Grundgesamtheit: In der Schweiz wohnhafte Personen im Alter von 15-79 Jahren, die repräsentativ für die dortige Bevölkerung sind, mindestens einmal pro Woche zu privaten Zwecken das Internet nutzen und den Fragebogen auf Deutsch, Französisch oder Italienisch ausfüllen können.
Gewichtung der Stichprobe:
Geschlecht: weiblich & männlich
Altersgruppen: 15-29 Jahre, 30-44 Jahre, 45-59 Jahre & 60-79 Jahre
Region: D-CH, W-CH und TI
Haushaltsgrösse: 1-2 Pers. & mehr als 3 Pers.
Erwerbstätigkeit: Voll/ teilweise berufstätig & nicht berufstätig
Fallzahlen:
Welle 16: 1‘215 Personen
Welle 15: 1‘206 Personen
Welle 14: 1‘205 Personen
Welle 13: 1‘200 Personen
Welle 12: 1‘292 Personen
Welle 11: 1‘212 Personen
Welle 10: 1‘274 Personen
Welle 9: 1‘235 Personen
Welle 8: 1‘267 Personen
Welle 7: 1‘241 Personen
Welle 6: 1‘213 Personen
Welle 5: 1‘265 Personen
Welle 4: 1‘297 Personen
Welle 3: 1‘132 Personen
Welle 2: 1‘074 Personen
Welle 1: 1’157 Personen
Befragungszeiträume:
Welle 16: 23.10.2020 bis 26.10.2020
Welle 15: 17.06.2020 bis 23.06.2020
Welle 14: 10.06.2020 bis 16.06.2020
Welle 13: 28.05.2020 bis 02.06.2020
Welle 12: 20.05.2020 bis 27.05.2020
Welle 11: 13.05.2020 bis 19.05.2020
Welle 10: 06.05.2020 bis 12.05.2020
Welle 9: 29.04.2020 bis 05.05.2020
Welle 8: 21.04.2020 bis 29.04.2020
Welle 7: 07.04.2020 bis 14.04.2020
Welle 6: 02.04 2020 bis 07.04.2020
Welle 5: 25.03.2020 bis 31.03.2020
Welle 4: 18.03.2020 bis 24.03.2020
Welle 3: 10.03.2020 bis 12.03.2020
Welle 2: 03.03.2020 bis 06.03.2020
Welle 1: 26.02.2020 bis 28.02.2020
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