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Interview zum Jubiläum: Martin Breitschmid, Head of Market & Customer Intelligence (Swisscom AG)
LINK • 30. Juli 2021

Seit 30 Jahren besteht die Zusammenarbeit zwischen dem grössten Schweizer Telekommunikationsunternehmen Swisscom und der LINK. Wir haben anlässlich unseres 40-jährigen Jubiläums mit Martin Breitschmid, Head of Market & Customer Intelligence der Swisscom, über die Entwicklungen und Veränderungen in der Marktforschungsbranche sowie die Arbeit mit der LINK als Dienstleisterin gesprochen.
Herr Breitschmid, Sie leiten seit 2009 die Marktforschung des grössten Telekommunikationsunternehmens der Schweiz. Beim Unternehmen selbst sind Sie seit fast 17 Jahren. Was fesselt Sie an diesem Job?
Zum einen sind wir in der Marktforschung in sehr vielen verschiedenen Projekten und Themen – meistens sogar schon sehr früh – involviert. Das ist immer wieder aufs Neue spannend und lehrreich, da die Telco-Branche nie stehen bleibt. Zum anderen bietet die Marktforschung gerade in dieser Branche sehr viele methodische Chancen und Entwicklungen, die wir selber treiben und nutzen wollen. In all den Jahren haben wir die Marktforschung bei Swisscom immer weiterentwickelt und neue Ansätze eingeführt. Mittlerweile agieren wir wie ein Institut innerhalb des eigenen Unternehmens mit den methodischen, operativen und datentechnischen Möglichkeiten sowie mit den quantitativen und qualitativen Skills, die durchaus vergleichbar sind mit einem – kleinen – Institut. Wohlwissend, wann und in welchen Bereichen sich dennoch die Zusammenarbeit mit Externen lohnt und bereichernd ist.
Wo sehen Sie derzeit die grössten Herausforderungen für die Marktforschung?
Die Marktforschung muss sich ihrer Stärken deutlicher bewusst werden. Gerade die Verbindung von Systemdaten und Marktforschungsdaten hin zu integralen Insights bietet eine Riesenchance, die uns vermehrt in Richtung Insights Consultant bringen kann. Ich bin überzeugt, dass die Marktforschenden die Treiber dieser Entwicklung sein müssen, da die reinen Data Scientists sich zumindest aktuell viel eher auf die schiere Kraft der Datenmengen und den entsprechenden Analysemöglichkeiten verlassen. Es ist jedoch die Verbindung von quantitativen Datenmustern und den Motiven des Verhaltens sowie den Bewertungen, die einen echten Business-Mehrwert bietet. Dies erkennen die Marktforschenden in meiner Erfahrung eher und sollten diese Verknüpfung antreiben. Zurzeit stelle ich jedoch einen Trend in Richtung reiner Datenanalysen und damit eher ein Hinterfragen der Marktforschung in den Unternehmen fest. Meines Erachtens wird überspitzt gesagt eher zu viel und zu schnelle Hoffnung in ML und KI gesetzt, wohingegen die Marktforschung eher als «zu langsam mit zu kleinen Datensätzen anhand von nicht dem realen Verhalten entsprechenden, abgefragten Aussagen» eingestuft wird. Dem müssen sich die Marktforschenden selbstbewusst und aktiv stellen.
Seit 30 Jahren arbeitet die Swisscom ihre Projekte mit der LINK zusammen. Sicherlich besteht nach dieser langen Zeit ein starkes gegenseitiges Vertrauensverhältnis?
Ja klar, es liegt uns sehr daran, mit unseren externen Partnern eine vertrauensbasierte und dadurch auch stabile, effiziente und bereichernde Zusammenarbeit zu pflegen, da gehört LINK zweifelsohne dazu.
Die LINK unterstützt Sie bei der regelmässig stattfindenden Kundenzufriedenheitsumfrage der Swisscom – eines Ihrer grössten Projekte. Wodurch zeichnet sich die Zusammenarbeit mit LINK hierzu aus?
Diese Studie hat einen sehr hohen Stellenwert in der Swisscom und ist methodisch sehr anspruchsvoll. Ohne in die Details zu gehen, geht es auch hier darum, das Maximum aus erhobenen und systemischen Daten herauszuholen, um die bestmöglichen Insights zu generieren. Das setzt hohe Anforderungen an Feldarbeit und -steuerung, an Termintreue sowie an Datensicherheit und -handling. Wir haben diese Studie zusammen mit LINK über all die Jahre auch stets inhaltlich und methodisch weiterentwickeln können. All das ist für uns entscheidend und prägt diese Zusammenarbeit.
Was muss ein externes Dienstleistungsunternehmen überdies aufweisen, um den Anforderungen der Swisscom hinsichtlich Marktforschungsprojekten gerecht zu werden?
Nebst den Qualitäts-, Methoden-Portfolio-, Effizienz- und Kostenaspekten ist für uns sehr entscheidend, dass ein Institut sich einbringt und jede Ausgangslage, auch wenn sie als «klassisch» erscheint, in der Herangehensweise von Grund auf betrachtet. Das heisst, dass sowohl auf Erhebungsseite wie auch auf Analyseseite immer alle passenden oder auch neueren Ansätze durchgedacht werden, um letztlich die Businessfrage bestmöglich zu beantworten. Den einzelnen operativen Projekten übergeordnet ist es für uns wichtig, unkompliziert persönlich zusammenarbeiten zu können, und dass die externen Partner sich methodisch am Puls der Entwicklungen befinden.
Seit diesem Jahr stehen Sie in einer Agile Research Partnership mit LINK, bei der Sie die neu durch uns lizensierte Software quantilope verwenden. Welche Vorteile bringt diese Art der Zusammenarbeit für Sie?
Dieses Vorgehen entspricht zum einen unserem Bestreben, als Inhouse Agency agieren zu können. Es eröffnet uns Zugang zu weiteren Methoden, wie z.B. einfachen Conjoints, die wir bislang gar nicht inhouse anbieten konnten. Die Kooperation mit LINK erlaubt es uns, zusätzlich gewisse Schritte je nach eigener Ressourcenlage extern zu vergeben. Das gibt uns Flexibilität. Zum anderen verkürzt die Kombination von quantilope und dem ständigen Subpanel die Projektdauer massiv im Vergleich zu einem herkömmlichen ad-hoc-Projekt. Klar, man muss immer unabhängig betrachten, welches die Anforderungen an die Ausgangslage und an die Ergebnistiefe sind, um nicht in die verkürzte Sichtweise «Schnell ist das neue Richtig» zu verfallen. Gerade im schnelllebigen Projektgeschäft ist es allerdings schon ein Asset, wenn die Marktforschung die gewünschten Insights innerhalb weniger Tage liefern kann.
Sicherlich war auch Ihr Unternehmen als grösster Player auf dem Telekommunikationsmarkt von der COVID-19-Pandemie betroffen – können Sie uns erzählen, welche Herausforderungen sich für Sie ergeben haben?
Generell war es wie bei vielen Unternehmen eine Herausforderung, innerhalb kurzer Zeit ganz auf Home Office umzustellen. Swisscom hatte in meiner Wahrnehmung sicher den Vorteil, dass Home Office als Arbeitsform schon seit längerem möglich ist, und somit sich zum Glück nur wenige technische Hürden stellten, zumindest in meinem Umfeld. Für uns in der Marktforschung stellte sich im Quali-Bereich noch eine besondere Herausforderung. So mussten wie bei Ihnen die Interviews mit Kunden per sofort auf Remote umgestellt werden, was sich aber ebenfalls recht schnell und gut einspielte.
Und nun ein Blick in die Zukunft: Wo sehen Sie die künftigen Brennthemen der Marktforschung – in der Schweiz oder global?
Wie schon beschrieben, sieht sich die Marktforschung mehreren Herausforderungen gegenüber, die sie meines Erachtens aktiv angehen muss, um nicht von der Entwicklung an den Rand gedrängt zu werden. Stichworte sind da die Verknüpfung von Big Data und Marktforschung, Marktforschung als weitere Datenquelle für ML-/KI-Modelle etablieren, die daraus entstehenden integralen Insights als Basis für eine klarere inhouse Consultant-Rolle nutzen – «warum ist etwas, wie es ist», und nicht nur «wie ist etwas» –, weg vom Image des Methoden- und Umfragespezialisten, hin zum Business-Problem-Beantworter, vielleicht auch vermehrt mittels Experimenten in Kombination mit oder anstelle von expliziten Befragungen. All das, ohne natürlich die Methoden-Skills zu vernachlässigen, im Gegenteil: Es gilt, die Methoden weiterzuentwickeln, die Erhebungsqualität zu wahren und dabei schneller zu werden, wo es die Ausgangslage zulässt. Die Faktoren Zeit und Flexibilität werden in der agilen Arbeitsweise entscheidend.
Sie arbeiten seit langer Zeit mit der LINK zusammen und haben dadurch auch ihre Entwicklung verfolgt. Wie bewerten Sie diese als Kunde bisher?
In der Tat kenne ich die LINK von Kundenseite her insgesamt seit über 20 Jahren. Selbstverständlich hat es in all der Zeit immer wieder Veränderungen gegeben: Personelle Wechsel in der Führung und bei den Ansprechpersonen, Besitzerwechsel und Standortwechsel. Was mir rückblickend als grosse konstante Klammer über diesen Wandel erscheint, ist der hohe Qualitätsanspruch, sei es in der operativen Durchführung oder bzgl. methodischer Skills und deren Entwicklung, den LINK an sich selbst stellt. Ich bin überzeugt, dass diese beiden Aspekte «Qualität» und «fachliche Skills und Entwicklung» auch weiterhin der Schlüssel zum Erfolg unserer zukünftigen Zusammenarbeit sein werden.
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