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Interview zum Jubiläum: Robert Schlich, Co-Leiter Customer Insights and Analytics (SBB CFF FFS)
LINK • 30. Juli 2021

Die Schweizerischen Bundesbahnen SBB CFF FFS und die LINK eint seit über 30 Jahre eine enge Zusammenarbeit. Anlässlich unseres 40-jährigen Jubiläums dieses Jahr haben wir Robert Schlich, Co-Leiter Customer Insights and Analytics der SBB, einige Fragen dazu sowie zur Marktforschung im Allgemeinen gestellt.
Herr Schlich, Sie sind seit über 17 Jahren bei der SBB tätig. Was begeistert Sie an der Arbeit bei den Schweizerischen Bundesbahnen?
Es gibt zwei Aspekte, die mich bei meiner Arbeit begeistern. Zum einen die SBB als Unternehmen, welches nachhaltige Mobilität produziert und damit die Möglichkeit schafft, das Leben so zu gestalten wie man möchte – also beispielsweise Wohnen an einem Ort, Arbeiten am anderen. Genau diese nachhaltige Entwicklung ist für mich Teil der Mobilität der Zukunft.
Zudem ist die SBB als Arbeitgeberin eine tolle Firma, da wir mit vielen unterschiedlichen Themen in Berührung kommen und sehr viele verschiedene Mitarbeitende sowie Entwicklungsmöglichkeiten haben.
Können Sie uns ein wenig über Ihren Tätigkeitsbereich «Customer Insights and Analytics» erzählen?
Wir messen kontinuierlich die Kundenzufriedenheit, welche eines von neun Konzernzielen ist. Das sind unter anderem Ziele wie Finanzen, Pünktlichkeit, Sicherheit oder Mitarbeiterzufriedenheit. Dies bedeutet, dass diese Messung der Kundenzufriedenheit im Unternehmen sehr stark wahrgenommen und beobachtet wird. Die LINK hat dabei immer eine Rolle gespielt.
Ausserdem führen wir klassische Ad-Hoc-Studien durch, denn wir haben viele Unternehmensbereiche, welche die Kund/innen einbeziehen und wissen möchten, wie diese zu einem bestimmten Thema stehen. Wir organisieren Studien, um sowohl die Zufriedenheit als auch Bedürfnisse zu evaluieren. Anders als früher versuchen wir heute mehr und mehr, das ganze Unternehmen zu beraten und den kulturellen Wandel in eine Richtung zu leiten, wo alle Mitarbeitenden wissen wollen, können und dürfen, was die Kund/innen eigentlich bewegt. Wichtig ist hier also erstens das Methoden-Know-How, zweitens das Bedürfnis nach Erkenntnissen in verschiedenen Prozessen und drittens der unternehmenskulturelle Wunsch, die Kund/innen zu verstehen.
Die SBB und die LINK vereint seit Jahrzehnten eine enge Projektzusammenarbeit. Angefangen mit der ab Anfang der 1980er über 30 Jahre durchgeführten Kontinuierlichen Erhebung Personenverkehr (KEP) und daran anschliessenden weiteren kontinuierlichen Kundenzufriedenheitsstudien bis hin zu «kleineren» Ad-Hoc-Projekten. Womit hat Sie die LINK als Projektpartnerin während dieser langen Zeit besonders überzeugen können?
Erstens sind da die hohen Qualitätsstandards: Wir haben bei Projekten stets das Gefühl, alles gut an die LINK übergeben zu können, da dort jeweils so seriös mit dem Thema gearbeitet und umgegangen wird, dass wir sicher sind, ein gutes Produkt und Ergebnis zu erhalten. Wir wissen, dass Projekte jeweils nicht nur im Wortlaut abgearbeitet werden, sondern dass die LINK als Teil ihrer Arbeitskultur überlegt, was gemacht werden muss, damit die Qualitätskriterien über das ursprüngliche Briefing hinaus erfüllt sind.
Zweitens überzeugt uns die vielfältige Erfahrung der LINK, welche sich daraus ergibt, dass Sie nicht nur uns, sondern auch andere Firmen beraten und so verschiedene Methoden anwenden. Das Wissen aus diesen anderen Projekten kann dann wiederum bei uns eingebracht werden, und somit haben wir das Gefühl, dass jeweils mit dem wesentlichen State of the Art gearbeitet wird.
Was ist Ihnen generell wichtig in der Zusammenarbeit mit einem externen Dienstleistungsunternehmen?
Nebst Qualität und Zuverlässigkeit ist die eben besprochene Eigeninitiative sehr wichtig. Ein Unternehmen soll nicht nur das abarbeiten, was von dem/der Auftraggeber/in gefordert wird, sondern den Anspruch haben, dass das Produkt stimmt und eigene Bedenken sowie Lösungen einbringen. Wenn das Dienstleistungsunternehmen also merkt – und das kommt doch ab und zu vor –, dass der/die Auftraggeber/in mit den eigenen Forderungen auf dem falschen Pfad ist, sollte widersprochen und eigene Ideen vorgebracht werden.
Ausserdem ist eine offene Kommunikation essentiell. Die involvierten Parteien sollten immer im Austausch bleiben, und das dienstleistende Unternehmen sollte beispielsweise frühzeitig darauf hinweisen, wenn Ressourcen zur Neige gehen, Dinge also länger dauern als ursprünglich geplant. Hier ist es wichtig, agil und konstant zu kommunizieren.
Welche Herausforderungen haben sich für Sie durch die COVID-19-Pandemie ergeben? Oder gab es gar Chancen?
Uns ist sicherlich das passiert, was allen anderen passiert ist: Home Office hat den Arbeitsalltag sehr verändert. Wir haben auch vorher bereits überdurchschnittlich viel Home Office gemacht, jetzt ist es aber in einem neuen Ausmass sehr üblich. Das wird sich so auch nicht mehr komplett ändern. Home Office ermöglicht die Nutzung der Zeit statt fürs Pendeln nun für andere Dinge, und auch die Kommunikation hat sich in Teilen verändert – nicht nur zum Guten, aber auch nicht nur zum Schlechten.
Für die Firma hingegen ist das natürlich eine grosse Herausforderung, denn wenn das so ist und bleibt, wird nicht dasselbe Verkehrsvolumen wie zuvor sofort wiederkehren. In Teilen ist das eine Gefahr für die SBB, sehr wohl aber auch eine grosse Chance: Wenn wir eine Entlastung in den Stosszeiten erreichen könnten, würde das sowohl die Zufriedenheit der Kund/innen erhöhen als auch finanzielle Auswirkungen haben. Man müsste beispielsweise keine überdimensionierten Züge mehr kaufen, die zu 95 % der Zeit halb-leer verkehren.
Konnte sich die LINK hier als verlässliche Partnerin beweisen?
Viel haben wir nicht anders gemacht, einige Teilprojekte haben wir eingestellt, beispielsweise keine Gruppendiskussionen mehr durchgeführt. Was für uns jedoch wichtig war, und was die LINK sehr schnell ermöglicht hat, war, die Kontinuität der Konzernzielbefragungen zu gewährleisten. Hier konnte der Betrieb immer aufrechterhalten werden, obwohl die Umstellung auf Home Office bei den Telefonlaboren für die LINK, so nehme ich an, eine grosse Herausforderung war. Für uns war sehr wichtig, dass das so problemlos geklappt hat.
Welche Rolle spielt der Begriff «Customer Centricity» für Sie?
Eine immer grössere. Ich würde nicht sagen, dass die SBB traditionell immer ein kundenzentriertes Unternehmen gewesen ist – früher stand wahrscheinlich der Fahrplan im Zentrum und weniger die Frage, ob Leute mitgefahren sind oder nicht. Ich glaube aber, dass sich das in der heutigen Zeit, nicht nur bei uns, sondern überall, sehr verändert. Und zwar insofern, dass vermehrt nach dem Gedanken «Wir müssen die Bedürfnisse der Kund/innen in den Mittelpunkt stellen, und alles andere ergibt sich daraus» gehandelt wird. Gewinn steht für uns als Service-Public-Unternehmen nicht im Fokus, doch wie bei anderen Firmen ergibt sich auch bei uns das Geschäftsmodell immer mehr aus der Customer Centricity. Deshalb möchten wir wie gesagt in allen Bereichen die Bedürfnisse der Kund/innen kennen und uns danach ausrichten.
Die SBB ist ein dynamisches Unternehmen, das stets in Bewegung ist. Können Sie eine Einschätzung machen, in welche Richtung sich Ihre künftigen Bedürfnisse in den Bereichen Marktforschung bzw. Customer Insights and Analytics entwickeln werden?
Wir wollen, dass in allen Projekten Kundeneinbezug stattfindet, jedoch nicht wie früher beispielsweise 15 Grossprojekte durchführen, bei denen je eine repräsentative Befragung erfolgt, für die es nach drei Monaten Ergebnisse gibt – das ist das alte Modell. Die Arbeitsweise der Branche diesbezüglich wandelt sich derzeit stark, man führt öfter, schneller und an mehr Stellen kleinere Studien durch. Diese sind dann nicht immer zwingend repräsentativ; es geht mehr darum, frühzeitig, schnell und für wenig Geld eine Stimmung zu untersuchen, das Projekt darauf anzupassen, in die nächste Iteration zu gehen und immer wieder regelmässiges Feedback einzuholen.
Wenn das so an allen Stellen im Unternehmen stattfindet, dann ist klar, dass dies erstens kleine Projekte sein müssen, die weniger kosten als Riesenprojekte und zweitens nicht alle durch eine zentrale Stelle verwaltet werden können. So haben wir dann eine Vielzahl kleinerer Projekte mit Kundeneinbezug, die vielleicht nicht immer den Qualitätsstandards von früher entsprechen, und gleichzeitig weiterhin die grossen, methodisch korrekten Leuchtturmprojekte.
Ein weiterer wichtiger Punkt für uns ist der direkte Kontakt am Touchpoint. Ich denke, dass sich die Marktforschungsbranche künftig mehr in Richtung «Messung statt Befragung» bewegen wird. In Zukunft werden wir stärker dort messen, wo etwas passiert – beispielsweise bei Befragungen direkt am Schalter. Damit schaffen wir Big-Data-Grundlagen für unsere Entscheidungen, anstatt uns auf das Erinnerungsvermögen der Kund/innen zu verlassen. Der Nachteil: Das «Warum» fehlt bei dieser Erhebung. Um die Motivation für das Kundenverhalten zu ergründen, sind subjektive Befragungen notwendig.
Ausserdem denke ich, dass wir künftig nicht mehr nur Feld-Dienstleistungsunternehmen benötigen, sondern explizit Unternehmen, welche auch in der Konzeption und Auswertung stärker als Berater/innen mit Expertise auftreten.
Wo sehen Sie den Beitrag, mit dem die LINK Sie dabei wie gewohnt unterstützen kann?
Ich glaube, dass die Befragungs- und Messformen ineinander übergehen werden. Daraus wird sich eine neue Kompetenz ergeben für Befragungsfirmen, welche sicherlich auch ihre IT-Angebote auf- und ausbauen werden – sollte dies noch nicht geschehen sein.
Wenn Sie einen Ausblick wagen – welche Themen werden Ihrer Meinung nach in der Marktforschung in der nächsten Zeit besonders wichtig sein?
Die Frage «Was passiert nach Covid?» treibt uns, aber sicherlich auch viele andere Firmen, inhaltlich sehr stark um. Generell nehme ich wahr, dass bei uns nun stärker als zuvor die Frage nach den Bedürfnissen der Zukunft im Mittelpunkt steht. Mit klassischen Befragungsformen kommt man hier oft nicht weit, denn Personen können ihr zukünftiges Verhalten selbst nicht vernünftig einschätzen.
Als langjährige Partnerin ist die SBB mit der LINK und deren Entwicklungsprozess gut vertraut. Wie sieht Ihre Aussenperspektive auf diesen aus? Wie nehmen Sie als Kunde den bisherigen Werdegang der LINK wahr?
Die LINK ist eine Firma, die sich im Laufe der Zeit verändert und nicht immer nur das Gleiche gemacht hat. Sie entwickelt stets ihre Angebotspalette weiter und fügt neue Produkte hinzu, und man hat nicht das Gefühl, dass es dabei nur um die Auslastung der Telefonlabore geht, sondern um viele unterschiedliche Themen – beispielsweise die zuvor angesprochenen IT-Projekte. Diese kontinuierliche Weiterentwicklung mit der Zeit ist das, was die LINK auszeichnet und stellt für uns eine Voraussetzung für die Zusammenarbeit dar.
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