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Rassismus in der Schweiz: Bestandsaufnahme 2022
LINK • 21. März 2022

Rassismus ist ein gesellschaftlich allgegenwärtiges Thema, das auch in der Schweiz immer wieder für teilweise hitzige Diskussionen sorgt. Anlässlich des jährlich am 21. März stattfindenden globalen Internationalen Tags gegen Rassismus hat LINK deshalb eine bevölkerungsrepräsentative Umfrage unter 1‘220 Personen in der Schweiz durchgeführt. Unter anderem wurde untersucht, ob und wie Rassismus in der Schweiz als ernstes Problem wahrgenommen wird, wie tolerant sich Schweizerinnen und Schweizer einschätzen und wie viele von ihnen bereits einmal rassistisch diskriminiert wurden. Gleichzeitig wurde durch YouGov, ein internationales Unternehmen für Markt- und Sozialforschung, Datenprodukte und Datenanalysen, welchem LINK angehört, dieselbe Umfrage entsprechend in Deutschland mit 2‘082 Befragten repräsentativ durchgeführt.
Ernstes Problem, jedoch mehrheitlich kein Handlungsbedarf
Für knapp die Hälfte der Schweizer/innen (47 %) ist Rassismus in der Schweiz gegenwärtig ein eher bis sehr ernstes Problem. Diese Tendenz zeigt sich besonders bei jungen Leuten im Alter von 15-29 Jahren – mit 54 % sind in dieser Altersgruppe über die Hälfte der Befragten dieser Meinung, während es beispielsweise bei den 30-44-Jährigen nur 45 % sind. Ebenfalls scheint das Problem in der Westschweiz präsenter zu sein, wo 55 % der Einwohner/innen Rassismus als eher bis sehr ernstes Problem sehen, während es in der Deutschschweiz mit 45 % und in der italienischsprachigen Schweiz mit 38 % deutlich weniger sind. In Deutschland ist das Thema für die Bevölkerung dringender: 60 % der Deutschen sehen ein ernstes Problem in ihrem Land.
Auch wenn Rassismus für viele Leute ein ernstes Problem darstellt, ist die Mehrheit der hiesigen Bevölkerung (57 %) der Meinung, dass in der Schweiz gegenwärtig genug dagegen getan wird. Auch hier zeigt sich jedoch ein Unterschied zwischen den Generationen: Beinahe die Hälfte (45 %) der 15-29-Jährigen ist der Meinung, dass hierzulande nicht genug gegen den Rassismus getan wird, während dieser Wert bei anderen Generationen deutlich tiefer ist.
Jede fünfte Person hat bereits rassistische Diskriminierung erfahren
Mit 19 % wurde knapp ein Fünftel der Bevölkerung bereits einmal persönlich rassistisch diskriminiert – nebst den vorgeschlagenen Gründen Sprache/Aussprache, Hautfarbe/Aussehen oder Religion wurden sowohl im privaten und beruflichen Bereich als auch in den sozialen Netzwerken mehrheitlich andere Gründe genannt. Ebenfalls ein grosser Teil dieser Diskriminierungen ist aus Gründen geschehen, welche die Betroffenen nicht kannten – in den sozialen Netzwerken liegt dieser Wert mit 68 % besonders hoch. In Deutschland liegt der Anteil von Betroffenen mit ebenfalls 19 % gleichauf.
Von denjenigen Personen, die bereits persönlich rassistische Diskriminierung erlebt haben, haben ausserdem 33 % nebst der Schweizer Nationalität noch (eine) weitere, und 45 % haben keine Schweizer Nationalität.
Überwältigende Mehrheit stört sich nicht an Anderem – insbesondere ältere Menschen
Rassismus wird besonders häufig in sozialen Netzwerken beobachtet – 59 % der Bevölkerung hat bereits einmal erlebt, dass in den sozialen Netzwerken eine andere Person rassistisch diskriminiert wurde. Im beruflichen und privaten Bereich liegt dieser Wert etwas tiefer, jedoch immer noch nur knapp unter der Hälfte aller Befragten (44 % bzw. 46 %).
Die Studie widmete sich jedoch nicht nur den wahrgenommenen, sondern gegebenenfalls auch bei sich selbst und im eigenen Umfeld vorhandenen rassistischen Denkmustern. Hier zeigt sich, dass eine Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer Menschen mit einer anderen Hautfarbe, Religion oder Sprache als eher bis überhaupt nicht störend empfinden (96 % / 93 % / 91 %). Besonders sticht bei dieser Frage die Altersgruppe der 60-79-Jährigen hervor, in welcher mit 96 % der Befragten signifikant mehr Leute angeben, sich von Menschen, die eine andere Sprache sprechen, nicht gestört zu fühlen, als in anderen Altersgruppen – beispielsweise liegt dieser Wert in der jüngsten Altersgruppe (15-29 Jahre) bei 87 %.
Schweizer/innen sehen sich als sehr tolerant und konsequent – auch in Beziehungen
Danach gefragt, wie tolerant sie sich selbst gegenüber Personen, die anders leben oder aussehen einschätzen, ordnen sich 70 % der Bevölkerung am eher bis sehr toleranten Ende der Skala ein. Mit 89 % ist ausserdem einer deutlichen Mehrheit der Bevölkerung ein toleranter Umgang mit Personen, die anders leben oder aussehen, im persönlichen Umfeld sehr wichtig. Für Frauen (93 %) scheint dies ausserdem geringfügig wichtiger zu sein als für Männer (86 %).
Eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung stört sich ausserdem daran, wenn Menschen in ihrem Umfeld rassistische Äusserungen und Kommentare von sich geben. Besonders stösst dies im nahen Familien- (84 %) und Freundeskreis (85 %) vielen sauer auf, aber auch von Arbeitskolleg/innen (84 %) und in sozialen Netzwerken (77 %) werden entsprechende Äusserungen kritisiert. Jede/r fünfte Schweizer/in hat bereits einmal den Kontakt bzw. die Beziehung zu einer Person abgebrochen, weil diese rassistische Ansichten vertreten hat – in der Westschweiz ist es sogar mehr als jede vierte Person (29 %). Mit 62 % würden zudem deutlich mehr als die Hälfte der Bevölkerung eine Beziehung abbrechen, wenn die andere Person rassistische Ansichten verträte. Auch hier zeigt sich erneut, dass die älteste Bevölkerungsgruppe (60-79 Jahre) in dieser Hinsicht besonders rigoros ist, denn 65 % von ihnen würden die Beziehung in diesem Fall abbrechen. Zum Vergleich: Bei der jüngsten Bevölkerungsgruppe (15-29 Jahre) sind es 62 %, bei den 30-44-Jährigen 60 % und bei den 45-59-Jährigen 59 %.
Klare Haltung von Unternehmen gefordert
Eine deutliche Mehrheit der Schweizer Bevölkerung (65 %) gibt an, bereits einmal eine – auch unüberlegte – rassistische Haltung eingenommen zu haben. Dieser Wert liegt sowohl bei Personen mit nur Schweizer als auch denjenigen mit anderer/zusätzlicher Nationalität im selben Rahmen. Die Bevölkerung Deutschlands liefert hier mit 40 % eine deutlich tiefere Einschätzung.
Gleichzeitig geben nur 12 % der Schweizer Bevölkerung an, dass sie sich bereits einmal öffentlich gegen Rassismus eingesetzt haben, beispielsweise durch die Teilnahme an einer Demonstration. Signifikant höher ist dieser Wert im Altersvergleich bei der jungen Bevölkerung im Alter von 15-29 Jahren: Mit 19 % hat sich knapp ein Fünftel von ihnen bereits einmal öffentlich gegen Rassismus eingesetzt. Ebenfalls ist dieser Wert bei Personen, die bereits einmal rassistisch diskriminiert wurden, deutlich höher (22 %) als bei denjenigen, die noch nie rassistisch diskriminiert wurden (10 %). Ein ähnliches Bild zeigt sich in Deutschland, wo sich mit 18 % zwar ein grösserer Teil der Gesamtbevölkerung bereits einmal öffentlich gegen Rassismus eingesetzt hat, mit 35 % jedoch auch dort die junge Bevölkerungsgruppe (18-24 Jahre) im Vergleich obenaus schwingt.
Wenngleich sich erst eine Minderheit der Bevölkerung bisher öffentlich gegen Rassismus eingesetzt hat, so fordern Schweizerinnen und Schweizer von Unternehmen eine deutliche Haltung gegenüber Rassismus auf öffentlichen Plattformen. Beispielsweise wünschen sich 71 % der Bevölkerung von Unternehmen eine deutliche Positionierung in den sozialen Netzwerken. Auch über Plakate, die Unternehmenswebsite, Printmedien, Fernsehen sowie Streaming/Radio wird jeweils von der Mehrheit der Befragten eine deutliche Haltung gefordert.
Eine umfangreiche Zusammenstellung der Ergebnisse inklusive verschiedener Breaks erhalten Sie kostenlos über das untenstehende Formular. Die Ergebnisse der YouGov-Studie für Deutschland finden Sie auf der entsprechenden Website. Bei Fragen oder dem Wunsch nach weiteren Ergebnissen/Details stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Ausführliche Studienergebnisse herunterladen:
Die Studie im Überblick
Methode: Online-Befragung über das LINK Panel bzw. das Panel von YouGov Deutschland
Grundgesamtheit Schweiz: 1’220 in der deutsch-, französisch- und italienischsprachigen Schweiz wohnhafte sprachassimilierte Personen im Alter von 15–79 Jahren. Die Stichprobe wurde nach Alter, Geschlecht und Region repräsentativ quotiert und gewichtet (gemäss aktueller BfS-Bevölkerungsstatistiken).
Grundgesamtheit Deutschland: 2‘082 in Deutschland wohnhafte Personen, die Daten sind gewichtet und repräsentativ für die Bevölkerung ab 18 Jahren
Studienzeitraum: 07. bis 11. März 2022 (Schweiz) bzw. 08. bis 10. März 2022 (Deutschland)
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