Auf dem Schweizer Immohealthcare-Kongress kommen jährlich internationale Vertreter aus dem Spitalwesen und der Real-Estate-Branche zusammen. Die diesjährige 12. Edition fand am 15. und 16. September 2020 unter der inhaltlichen Leitung von Moritz Schönleber (Euroforum/ Handelsblatt Media Group) statt.
Moritz Schönleber (Euroforum) im Gespräch mit Serge Fayet (Hemmi Fayet Architekten AG ETH SIA)
Der Kongress verdeutlichte, vor welchen Herausforderungen die Schweizer Spitallandschaft steht – allen voran die digitale Transformation. Das rasante Tempo der technologischen Entwicklung steht im Spannungsfeld zu den festen Infrastrukturen und zähen Planungsprozessen von Spitalimmobilien. Eine Spitalimmobilie durchläuft nicht selten einen Planungsprozess von mehr als 10 Jahren. Wenn fertig erstellt, ist sie meist schon wieder veraltet. Viele Stakeholder-Interessen müssen berücksichtigt werden: Bauherren, Vertreter der Betriebsprozesse und Mitarbeiter, Behörden & Politik, Baurecht, Finanzierung, Planer, Bauunternehmer und Städtebau – selten ist es aber der Patient.
«Patient Centricity bei Spitalimmobilien – das hat Parallelen zu Teenagern, die über Sex sprechen. Alle reden darüber. Alle geben vor, sich damit auszukennen. Jeder glaubt, die anderen machen es schon. Aber nur wenige Frühreife setzen es aktiv um.»
Stefan Reiser, LINK, anlässlich der Studienvorstellung auf dem Kongress
Welchen Unterschied es macht, den Patienten in Planungsprozessen frühzeitig miteinzubeziehen, zeigten eindrucksvolle Success-Stories:
Das Sheba Medical Center in Israel, das als eine der besten Kliniken der Welt gilt, stellt den Patienten konsequent in den Mittelpunkt und zieht ihn durch Co-Creation- und Design-Thinking-Ansätze von Anfang mit ein und lässt ihn das Tempo der digitalen Reise mitbestimmen.
Bei den Erweiterungsbauten am Schweizer Paraplegiker-Zentrum in Nottwil wurde Architektur als Produkt verstanden. Im Vordergrund der Arbeiten stand immer der Nutzen der Patientinnen und Patienten. So wurde in einem agilen, partizipativen Planungsprozess u.a. der Patientenpfad analysiert. Dieser diente als Basis für die iterative Planung der einzelnen Betriebsprozesse.
Das Unispital Zürich, das eine der grössten Akutspitäler Europas am Flughafen Zürich plant, betonte, dass Patientenorientierung eine Frage der Unternehmenskultur sei. In diesem Zusammenhang solle der Patient als «Kunde» verstanden werden, bei dem Service, Transparenz, Convenience und v.a. die «Customer-Experience» immer mehr in den Vordergrund rücke.
Stefan Reiser, Mitglied der Geschäftsleitung der LINK, zeigte mit der repräsentativen Studie «Patient Centricity – Was der Patient von einer Spitalimmobilie erwartet» auf, dass die Innovationsbeispiele am Kongress noch lange nicht der Norm der Schweizer Spitallandschaft entsprechen. Zwei Drittel der Schweizer Spital-Patienten und -Besucher zeigt sich nur durchschnittlich bis nicht zufrieden mit der Spitalimmobilie. Er spannte den Bogen zur «Customer Journey» eines Patienten und erläuterte anhand von 7 Erfolgssäulen, an welchen Stellen sich Schweizer Spitäler noch mehr auf die Bedürfnisse von Patienten ausrichten müssen.
Moritz Schönleber (Euroforum) im Gespräch mit Martin Kern und Geschäftsführer Teamplan GmbH) und Stefan Reiser (LINK)
Da jede Spitalimmobilie ihre eigenen Anforderungen hat, appellierte er, Patienten und Besucher in Planungsprozessen frühzeitig aktiv einzubinden, sich kontinuierlich Patientenfeedback einzuholen und die Aussenwahrnehmung eines Spitals regelmässig und selbstkritisch zu überprüfen. Wichtig sei es, dies auf die richtige Weise zu tun; also mit einer Methodik, die Anspruchsinflation («alles ist wichtig») vermeide und auch unbewusste Einstellungen und Verhaltensweisen berücksichtigt.