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“Was vor Corona galt, gilt vielleicht nicht mehr.” – Die Entwicklung der qualitativen Marktforschung
LINK • 11. November 2020

Wir erleben gerade massive Veränderungen im Konsumverhalten, was viele neue Fragen aufwirft und der qualitativen Forschung wieder eine besondere Bedeutung gibt. Seit Corona stehen nicht mehr die klassischen Methoden im Fokus, sondern digitale Ansätze im Vordergrund. Wir sprechen darüber mit Brigitte Rush-Gleissner, Leiterin LINK Qualitative.

Wir stehen vor eine Zeit, in der sich schwer voraussehen lässt, wie die wirtschaftliche Zukunft aussieht.
Brigitte Rush-Gleissner: Das stimmt. Ich habe den Eindruck, dass unsere Auftraggeber viele Ungewissheiten und offene Fragen haben, wie sich die Pandemie langfristig auf das zukünftige Verhalten ihrer Kunden auswirken wird. Wir haben am Anfang der Pandemie viel Solidarität in der Schweiz erlebt, aber je länger die Pandemie anhält, desto mehr verbreiten sich auch individualistische Tendenzen. Politiker sprechen von einer “Schweiz von morgen zwischen gemeinsamer Verantwortung und hedonistischem Individualismus”. Wir werden sehen, wo in diesem Bereich sich die Schweiz einpendeln wird.
Warum bleibt die qualitative Forschung gerade nun so wichtig?
Brigitte Rush-Gleissner: Klar ist, dass die einschneidenden Erfahrungen von 2020 nicht spurlos an uns vorüber gehen werden, jedoch unklar ist, wie weit die Veränderungen gehen werden und in welche Richtung. Deshalb wird die Forschung generell, und gerade die qualitative Forschung wieder stark an Bedeutung zunehmen, denn was vor Corona galt, gilt vielleicht nicht mehr. Ich glaube, wir werden wieder vermehrt Grundlagenforschung machen, um die Veränderungen auf den Märkten verstehen zu können. Wie verschieben sich die Prioritäten? Jetzt kommt es darauf an, die Chance der Zeit zu nutzen, neu zu fragen und zu beobachten.
Was ist in der qualitativen Forschung in den letzten Jahren passiert und wie hat die Corona-Krise uns in diese Zukunft katapultiert?
Brigitte Rush-Gleissner: Die qualitative Forschung ist von mehreren Entwicklungen in den letzten Jahrzehnten beeinflusst worden. Zum einen die vielen, beeindruckenden Erkenntnisse aus den Wissenschaften, v.a. aus den Neurowissenschaften, der Sozialpsychologie und der Verhaltensökonomie. Es ist nun bewiesen, dass viele unserer Entscheidungsprozesse automatisch ablaufen und warum es z.B. interne Konflikte in uns gibt – zwischen dem rationalen Planer und dem impulsiven Macher. Ausserdem haben äussere Faktoren wesentlich mehr Einfluss auf uns, als wir früher gedacht haben.
Dann hat auch Design Thinking die qualitative Forschung wesentlich verändert und zu mehr Agilität geführt. Zuerst dachte man, es seien zwei unterschiedliche Ansätze, aber im Grunde sind gute qualitative Forscher auch gute Design Thinker. Jedoch gilt das nicht immer andersrum, weil Forschungskompetenzen viel Erfahrung und Wissen brauchen.
„Jetzt erleben wir in der Praxis, dass die Auftraggeber immer offener für digitale Ansätze sind – sogar diejenigen, die lange an klassischen Methoden festgehalten haben.“
Schon vor Corona hast du die Vorteile der Digitalisierung von LINK Qualitative gepusht. Wie ist das bei den Schweizer Kundinnen und Kunden angekommen?
Brigitte Rush-Gleissner: Die qualitative Forschung hat sich durch all die neuen, technischen Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, verändert. Ich habe schon vor Corona die digitalen Forschungsoptionen bei LINK forciert. Jetzt sind wir sozusagen mitten in der Digitalisierung der qualitativen Forschung angekommen. Die Schweiz liegt im Vergleich mit anderen Ländern da ein bisschen hintenan, andere haben schon viel früher und umfassender auf digitale Erhebungsmethoden umgestellt und dieser Trend hat sich natürlich nun verstärkt. Vor Corona brauchte es etwas Überzeugungsarbeit, die Vorteile der digitalen Methoden zu erklären. Jetzt erleben wir in der Praxis, dass die Auftraggeber immer offener für digitale Ansätze sind – sogar diejenigen, die lange an klassischen Methoden festgehalten haben.
„LINK Qualitative fährt zweigleisig und verfolgt erfolgreich eine digitale und eine klassische Strategie.“
Was bedeutet das für LINK Qualitative in der Schweiz?
Brigitte Rush-Gleissner: LINK Qualitative fährt zweigleisig und verfolgt erfolgreich eine digitale und eine klassische Strategie. Einzelexplorationen fanden dieses Jahr vermehrt im virtuellen Raum statt mit sehr positiven Erfahrungen. Fokusgruppen haben wir sowohl in persona mit Schutzkonzepten durchgeführt als auch online. Grundsätzlich haben wir in unserem Team viel Spass daran, die klassischen, qualitativen Methoden auf den neuesten Stand zu bringen und weiter die Möglichkeiten der digitalen Technologien auszuschöpfen. Und dies hat nichts mit Corona zu tun, eher damit, dass Kundenverständnis oft besser durch moderne Methoden wie z.B. mobile Tagebücher oder virtuelle Communities gewonnen wird als durch Fokusgruppen. Letztere werden sicher ihren Stellenwert bei bestimmten Forschungsfragen beibehalten, aber sie können uns wenig Einblick in tatsächliches Verhalten geben.
LINK hat gut mit digitalen Tools bei LINK Qualitative für remote Befragungen & Interviews auf die Krise reagiert. Was sind die Erfahrungen der LINK? Und welche positiven Erfahrungen haben die Kunden gemacht?
Brigitte Rush-Gleissner: Unsere Auftraggeber sind im Nachhinein froh darüber, dass sie sich überzeugen liessen und die Ergebnisse sprechen für sich. Digitale Methoden sind auch transparenter zum Nachvollziehen für unsere Kunden. Anstatt auf den Bericht zu warten und zu vertrauen, dass in der Black Box der Auswertungsphase alles richtig gemacht wird, können sie z.B. in Communities alle Beiträge selbst einsehen und sich die Transkripte gefiltert nach Subgruppen direkt herunterladen. Ich finde, diese Transparenz ist ein toller Vorteil.
Was ganz besonders zu positiven Erfahrungen führt, sind Videos, die Teilnehmer von sich oder z.B. ihren Produkterlebnissen machen. Unsere Auftraggeber sind oft überrascht, wie mitteilungsfreudig die Teilnehmer sein können, wenn man ihnen das Gefühl gibt, dass ihre Beiträge relevant sind und vom Moderator wertgeschätzt werden. Positiv sind auch die Erfahrungen mit den Video-Interviews. Unsere Kunden können als Beobachter teilnehmen und sind dadurch im Prozess mit eingebunden.
Customer Centricity liegt vermehrt im Fokus. Wie geht LINK Qualitative darauf ein bzw. wie rückt LINK seine Kunden ins Zentrum?
Brigitte Rush-Gleissner: Früher haben wir Ergebnisse in Form von Berichten abgegeben und deren Verankerung im Unternehmen komplett in der Verantwortung des Auftraggebers gesehen. Ich glaube, das ist eine verpasste Chance. Unsere Kunden profitieren davon, wenn wir nicht nur während des Research Prozesses zusammenarbeiten, sondern auch beim Hineintragen der Ergebnisse ins Unternehmen unterstützen. Wir bieten z.B. immer öfter Debrief Workshops an, in denen Insights zuerst präsentiert und dann gemeinsam – mit dem LINK Forscher als unabhängigem Moderator – die Implikationen für das Unternehmen erarbeitet werden. Dadurch werden unterschiedliche Interpretationen der Ergebnisse vermieden und das Projekt Involvement wird bei allen Beteiligten gestärkt.
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